Thomas Hochkofler steht seit 25 Jahren auf den Bühnen Südtirols, als Kabarettist, Schauspieler und Regisseur. Die Lokalkomödie Joe der Film, für die er auch das Drehbuch verfasst hat, ist sein Debüt in der Filmbranche. Im Gespräch mit TAKE lässt er hinter die Maske seines Alter Egos blicken – des politisch unkorrekten Joe aus Afing.
Ihre seit Jahren kuratierte Kunstfigur Joe aus Afing, die nun ihr Kinodebüt gibt, nimmt den etwas rustikaleren Typ Südtiroler auf die Schippe, mit zweifelhaftem Modegeschmack und Frauenbild, getuntem Auto und brachialem Humor. Mögen Sie den Joe eigentlich?
Ich mag ihn total gern, aber wir wären wohl keine Freunde. Die Wahl ist einerseits deswegen auf den Joe gefallen, weil er vor allem beim jüngeren Publikum so gut ankommt. Für einen ganzen Film braucht eine Comedy-Figur eben eine gewisse Bandbreite, und die kann der Joe bieten. Ich glaube, der „Motschuner Peppm“, mein anderes Alter Ego, wäre für so was zu schmal. Seine Welt, sein Horizont sind zu begrenzt für eine Filmhandlung. Höchstens könnte mal die Materialseilbahn brennen ...
Die Materialseilbahn – ein Element aus der Südtiroler Bergbauernwelt, das Sie im Film eingebaut haben. Eine Herausforderung fürs Location-Scouting?
Im ganzen Land haben wir nach der perfekten Materialseilbahn gesucht! Für den Motschuner Peppm und seinen Hof. Die urigste haben wir in Partschins bei Meran gefunden. Für den Hof, auf dem der Peppm im Film lebt – mit Mutter und Kuh –, haben wir im Sarntal das ideale Motiv gefunden. Aber die Materialseilbahn fehlte.
Sie stammen wie der Titelheld Joe aus den Bergen rund um Bozen. Schreiben Sie Ihre Pointen selbst – oder sind Sie nur ein guter Beobachter?
Wenn ich mal einen halben Tag im Sarntal verbringe, wo ich aufgewachsen bin, dann komme ich immer mit ein paar guten Sprüchen nach Hause! Mein Material ist ein Mix aus dem, was ich so um mich herum aufschnappe. Die Einfälle und die Lust, etwas zu schreiben, kommen oft auch dann, wenn ich weiß, ich muss gerade gar nichts abliefern. Zum Teil schreibe ich also selbst, für Kabarettprogramme habe ich aber einen Co-Autor. Er gibt meinen Pointen einen Rahmen, eine Dramaturgie.

Sie sind schon lang als Bühnenschauspieler tätig und führen Regie. Wie haben Sie das Eintauchen in die Filmwelt erlebt?
So groß ist der Unterschied gar nicht, aber im vergangenen Jahr habe ich doch unfassbar viel gelernt. Mein Vorteil war, dass ich – wie in einer Theaterinszenierung – die Geschichte schon lange ganz klar im Kopf hatte. Das gab mir Sicherheit. Unglaublich spannend war, als Regisseur auch noch im Schnitt mitzuwirken. Szenen eine ganz andere Dynamik, einen anderen Rhythmus geben. Im Theater und im Kabarett probiere ich immer viel vor Ort aus, für den Film führte ich hingegen viele Vorgespräche. Etwa mit Anna Unterberger, die Joes Freundin Gäbbi spielt. Diese Rolle zu besetzen war sehr komplex, weil ich eine Figur wollte, die ihm Kontra geben kann, die aber auch keine Persiflage auf die Frau ist.
Hat Ihnen der Ausflug in die Filmindustrie also Spaß gemacht?
Ja, sehr! Und Filme sind durchaus weiterhin ein Thema für mich. Theater habe ich jetzt 25 Jahre lang gespielt, durch den Film habe ich gemerkt, dass die Zeit für etwas Neues gekommen ist. Ich kann nicht mehr so weitermachen wie bisher – und das betrifft auch die Comedy-Figuren. Normalerweise habe ich etwa alle zwei Jahre ein neues Kabarettprogramm geschrieben, das reizt mich derzeit gar nicht. Ich werde in zwei Jahren 50 und natürlich überlege ich: Wie lange will ich der Joe von Afing sein? Ich persönlich sehe mich im aktuellen Film etwa am liebsten als der Mafioso Alfredo. Seine Figur macht mir schauspielerisch am meisten Spaß. Er ist viel reduzierter als der Joe, was mir gut gefällt. Mal sehen, wie es weitergeht.
Vielleicht mit einer dramatischen Filmrolle?
Warum nicht – ich liebe Edward Norton, seine Rolle in American History X, den Wandel, den seine Figur vollzieht, fand ich immer schon genial. Solche Rollen gefallen mir, so etwas würde mich reizen. Die zwielichtigen Gestalten finde ich stark. Die habe ich im Theater auch immer schon gern gespielt.

Kommt es vor, dass Sie unbewusst in eine Ihrer Rollen rutschen?
Es kommt vor, dass ich Verhaltensweisen der Charaktere übernehme. Sie sind eben – ob ich es wahrhaben will oder nicht – immer auch ein Teil von mir. Ich kann ganz schön uncharmant sein. Unabsichtlich! Ich bin auch nur ein ganz normaler Mensch!
Ihre Kabarettfiguren und Ihr Film leben bewusst auch von Stereotypen. Wie denken Sie über die Debatten zu kultureller Aneignung und rassistischen Stereotypen, die derzeit auch in der deutschsprachigen Filmbranche herrschen?
Ich finde das für die darstellende Kunst problematisch. Es herrscht eine Scheinmoral: Wenn wir es nicht aussprechen, findet es nicht statt. Aber Rassismus und Ausgrenzung finden ja trotzdem statt. Die Frage ist: Wie geht man damit um? Heute bezieht jeder sofort Stellung, jeder ändert sein Social-Media-Profilbild, wenn in der Ukraine Krieg herrscht, jeder ist betroffen, jeder bezieht alles auf sich selbst. Wenn es dann darum geht, etwas dagegen zu tun, wird es leise. Man muss aber aktiv etwas dagegen tun! Frauenfeindlichkeit lösche ich nicht aus, indem ich „Künstler*innen“ schreibe. Sondern indem ich mich einer Frau gegenüber korrekt verhalte. Natürlich ist der Joe nicht politisch korrekt. Aber der Film ist auch keine Lebensschule, die dem Publikum beibringen soll, wie man sich verhält. Ich gestehe jedem die Intelligenz zu, dies für sich einzuordnen.
Joe der Film war eine Premiere für Sie. Was würden Sie noch gern im Leben zum ersten Mal tun?
Vieles! Aber es gibt schon etwas, das ich echt gern machen würde: Mit dem Fahrrad ganz Italien umrunden.

Und ein neuer Film?
Da schwirren mir viele Ideen im Kopf herum. Auch eine konkrete gäbe es schon … aber sie ist noch nicht spruchreif. Auf jeden Fall will ich auch den nächsten Film in Südtirol drehen. Das war auch beim Joe mitunter das Wichtigste für mich: mit Südtiroler Filmschaffenden an Südtiroler Locations einen authentischen Südtiroler Film zu drehen. Die hiesige Mentalität, die Sprache reinzubringen. Es ist ja schön und gut, dass hier deutsche Krimis gedreht werden, in denen wunderbare Landschaften gezeigt werden, aber wenn Handlung und Figuren darin nichts mit dem echten Südtirol zu tun haben … Da sind wir wieder beim Thema „kulturelle Aneignung“. Wenn etwa Nicht-Südtiroler darin vorgeben, eine Polizeiwache in Bozen zu führen. Das ginge ja auch nicht. Dann kann ein Deutscher auch keinen Commissario spielen, das ist auch Aneignung. Da bleibt der Bildschirm irgendwann schwarz.
Als feste Größe in der Südtiroler Kulturszene haben Sie die Entwicklung der lokalen Film- und Kreativbranche in den vergangenen Jahren miterlebt – was hat sich in Ihren Augen getan?
Es gibt heute mehr Kulturbetrieb, mehr Strukturen, und vor allem ist in den letzten Jahren ein beachtlicher Stab an Schauspielern herangewachsen. Den Jungen muss man jetzt auch die Chance geben, spielen zu können. Und das ist die Aufgabe der Theater und der Filmproduktionen, ganz eindeutig. Sonst haben wir in ein paar Jahren ein Besetzungsproblem.
Joe der Film geht nun auf Kino-Tour fürs Südtiroler Publikum. Freuen Sie sich auf den Marketing-Part der Produktion?
Ja, natürlich! Mich interessiert sehr, wie das Publikum auf den Film reagieren wird. Und es ist für mich auch wie ein kleines Dankeschön an alle, die über Jahrzehnte zu meinen Kabarettauftritten gekommen sind.
Das klingt jetzt fast wie ein Abschied von der Bühne.
Das kann schon sein. Vielleicht! Vielleicht revidiere ich das auch in ein paar Jahren. Momentan fühlt es sich für mich so an, und das ist auch richtig so.