Mehr als Mode

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Sie schneidern Schauspielerinnen und Schauspielern ihre Rollen auf den Leib – eine vorwiegend bei deutschen, die andere bei italienischen Filmproduktionen: ein Gespräch mit Katia Rigali und Katja Schweiggl über Kostüm, Kreativität und ihre erste Zusammenarbeit am Set.

Trotz (fast) gleichem Vornamen und Beruf scheinen sie bereits auf den ersten Blick gegensätzlich. Katia Rigali, perfekt geschminkt und mit roten Haaren, Katja Schweiggl sportlich gekleidet und ungeschminkt – beide sind im Bereich Kostüm tätig.

Der Weg zum Filmset verlief für Schweiggl und Rigali sehr unterschiedlich. Katia Rigali, in Meran geboren und in Gargazon aufgewachsen, besuchte das Kunstlyzeum in Bozen und studierte dann Neue Technologien, Kunst und Fotografie in Mailand. „Ich hatte schon immer eine große Leidenschaft für Filme und habe dann während des Studiums auch Regie und Schnitt gelernt.“ Ein Berufsleben vor dem Computer konnte sich die Kunstabsolventin allerdings nicht vorstellen, und auch die Regie war nicht ihr Ding, wie sie bei ihrem ersten Praktikum bei einer Filmproduktion feststellte. Stattdessen entdeckt sie dort ihre Faszination für das Kostümbild. Ein Beruf, der es ihr seit 2016 ermöglicht, ihre Liebe zum Film mit ihrer Begeisterung für Mode zu verbinden.

Auch die Kurtatscherin Katja Schweiggl hat die Freude an ihrer heutigen Haupttätigkeit direkt am Set entdeckt. Die ausgebildete Schneiderin war zunächst bei einem Raumausstatter, dann für einen Meraner Designer tätig. Als sie sich schließlich mit einem Modeatelier selbstständig machte, begann sie ab und zu für das Theater zu arbeiten. Über diese Kontakte ergab sich 2012 ein Job bei den Dreharbeiten zum Dokumentarfilm Karl der Große. „Ich half am Set mit und es hat von Anfang an wahnsinnig Spaß gemacht.“

 

Take

Seither haben die beiden Erfahrungen gesammelt, waren Teil namhafter Produktionen. Interessanterweise auch hier komplementär – dank Zweisprachigkeit: Bei der italienischen Muttersprachlerin Katia Rigali sind es vor allem deutsche TV-Produktionen wie Bozen-Krimi, Tatort, Inga Lindström, Donna Leon oder Public Affairs; bei der deutschen Muttersprachlerin Katja Schweiggl überwiegen aufwändige italienische Filmproduktionen wie Capri Revolution, Il Premio und letzthin Vermiglio. „Auf dem italienischen Markt werden insgesamt noch mehr Kostüme selbst geschneidert“, erklärt Schweiggl. Außerdem punkten beide tatsächlich auch mit klischeehaften Stärken: Schweiggl in Italien mit Gründlichkeit und Präzision, Rigali, indem sie italienische Eleganz in deutsche Produktionen bringt.

„Viele verbinden meine Arbeit mit Shopping, aber Kostümbild ist ein Knochenjob.“

Katia Rigali

Gemeinsam am Set

Im vergangenen Sommer trafen Schweiggl und Rigali erstmals bei einer Produktion aufeinander. Unter der Leitung der bekannten Wiener Kostümbildnerin Birgit Huter wirkten sie an der Verfilmung des zweiten Teils der Woodwalker-Trilogie mit, die auf der gleichnamigen Jugendromanreihe über Gestaltwandler zwischen Mensch und Tier basiert. Katia Rigali hatte bei der aufwändigen Produktion die Kostümbildassistenz über, Katja Schweiggl war erste Setkostüm. Mal reiste sie mit Schneiderpuppe und Nähmaschine an, um Kostüme zu nähen oder anzupassen, mal fungierte sie als Bindeglied zwischen Kostümbild und dem Geschehen am Set. Dabei geht es nicht nur darum, dass alle Kostüme sauber und trocken rechtzeitig am jeweiligen Drehort sind und so getragen werden, wie es das Kostümbild vorsieht: „Nachdem beim Film nicht chronologisch, sondern nach Locations gedreht wird, müssen wir auch die Continuity, also den Anschluss, sicherstellen“, sagt Katja Schweiggl. Sitzt der Schal noch genauso, wie beim Dreh vor zwei Wochen, war der oberste Knopf des Hemds wirklich offen? Akribisch werden solche Details im Kostümbild in einem Buch und mit Fotos festgehalten.

Take

Auch Katia Rigali hat lange als Setkostüm gearbeitet, seit vier Jahren ist sie Kostümassistentin. „Die Verantwortung für den Entwurf der Kostüme liegt bei der Kostümbildnerin, trotzdem kann ich in dieser Position viel mehr kreativ mitgestalten“ – vom Moodboard für jede große Rolle zu Beginn der Dreharbeiten, bis hin zur Beschaffung der einzelnen Kostümteile. Geschneidert wird vor allem bei zeitgenössischen TV-Produktionen kaum mehr. Meist werden Kleider, Schuhe und Accessoires geliehen oder gekauft. Inspiration dafür holt sich das Kostümbild nicht nur bei Drehbuch und Regie. Die Farben der Requisiten, der Typ der Schauspielerin – alles muss bedacht werden. „Viele verbinden meine Arbeit mit Shopping“, sagt Katia, „aber Kostümbild ist ein Knochenjob.“

Vier bis sechs Wochen Vorbereitungszeit hat die Kostümabteilung maximal für eine Produktion. Mit dem Dreh geht der Druck erst richtig los. Bei einer Reiseproduktion wie Woodwalkers, mit Dreharbeiten in Bergregionen wie dem Harz, dem Ultental und dem Schnalstal, war die Kostümabteilung mit einem zwölf Meter langen Truck unterwegs. Darin: alle Kostüme, streng nach Rollen geordnet, aber auch Waschmaschine, Trockner, Bügelbrett und eine Nähmaschine für Änderungen oder Reparaturen. „In Südtirol wurde parallel an zwei Sets gedreht. Wir mussten also ständig mit- und vorausdenken, welche Kostüme wo zum Einsatz kommen – und das bei täglichen Gewittern“, erzählen die beiden. Mit Bollerwagen und unter großen Regenschirmen wurden Kostüme oder Wärmejacken transportiert. „Mit einem guten Team kriegt man alles hin“, sagt Katia Rigali.

„Der Film bringt mich an Orte, wo ich sonst nie hinkommen würde.“

Katja Schweiggl

Hier und da

Teamarbeit und Networking sind auch im Bereich Kostüm unerlässlich, wissen Rigali und Schweiggl aus Erfahrung. Zu Beginn ihrer Karriere wirkten beide an nationalen und internationalen Produktionen mit, die in Südtirol gedreht wurden. Hier trafen sie auf erfahrene Kostümbildner:innen, die sie zu Produktionen außerhalb der Provinz holten. Katia Rigali ist vor eineinhalb Jahren nach Berlin gezogen, um näher am Markt zu sein, Katja Schweiggl betreibt nach wie vor parallel ihr Modeatelier in Kurtatsch. Kein einfacher Spagat – aber er hat sich bisher gelohnt. „Ich bin in Kurtatsch sehr verwurzelt, aber ich brauche auch einen Gegenpol. Und der Film bringt mich an Orte, wo ich sonst nie hinkommen würde“.

Text Susanne Pitro
Foto (c) Pexels/Pavel Danilyuk; Shoreline Vehicles; Cristian Rojas
Veröffentlicht am 03.03.2025

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