Inside INCONTRI #13

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Über 100 Branchen-Vertreter:innen aus Südtirol und Italien und der DACH-Region trafen sich bei INCONTRI #13 in St. Andrä über Brixen zum kreativen Austausch, inspiriert von einem informativen Konferenzprogramm. Die wichtigsten Inputs und Learnings aus der diesjährigen Filmkonferenz der IDM Film Commission Südtirol

 

Markt und KI

1 – Prof. Dr. Sylvia Rothe, Chair of AI in Media Production,
HFF University of Television and Film Munich

Beim Incontri “AI Lab: Learn the Latest in Generative AI for Film and Television” gab Prof. Sylvia Rothe, Inhaberin der ersten Professur für KI in Deutschland - an der HFF München - einen Einblick in die Grundlagen, mit Anwendungsbeispielen aus der Produktionspraxis und von kreativen Experimenten ihrer Studierenden. In dem sich rasant entwickelnden Markt einen Überblick über die Neuentwicklungen zu behalten, wird allerdings immer schwieriger. Rothe bewertete Anwendungen von Tools und Plattformen für Shooting Schedules, Script Synopsis und Analysis oder Budgeting und von AI Footage für Pitches und Storyboards. Sie zeigte Beispiele von Videogenerierung und Text-to-Text bzw. -Video und stellte auch das nicht profitorientierte Netzwerk LAION vor, das sich gegen das Chat-GPT-Monopol wendet.

Im Blick: Rechtliche Hintergründe, Fragen zu Plagiarismus sowie zur Verantwortung für und zu den Rechten an KI-generierten Inhalten sind die derzeit brennendsten Themen in der Kreativbranche. Ein europaweiter AI-Act soll diese Aspekte noch in diesem Jahr regeln.

„Die Verantwortung bleibt: KI ist kein Co-Autor!“

Sylvia Rothe

2 – Werner Ballhaus, Global Entertainment & Media Sector Leader, PwC

Auf das Produzieren in herausfordernden Zeiten ging Werner Ballhaus, Leiter des Global Entertainment & Media Sektors der weltweit tätigen Unternehmensberatung PwC, ein: Er präsentierte neue Zahlen aus dem weltweiten Bewegtbildmarkt und einen strategischen Fünf-Jahres-Ausblick anhand der Kennzahlen aus ihrer jährlich erhobenen globalen Entertainment-Studie.

Das Fazit: Das Wachstum der audiovisuellen Medienmärkte setzt sich fort, wenn auch auf geringerem Niveau als in den vergangenen Jahren.  

„Das Wachstum der audiovisuellen Medienmärkte hält weiter an.“

Werner Ballhaus
Take

Europäische Koproduktionen und Finanzierung

3 – Al Munteanu, CEO, SquareOne Entertainment – A Vuelta Group Company, Eric Welbers, CEO, Bravado Media / Bravado Equity

Um innovative Investmentmodelle und neue Wege zum Geld ging es im Gespräch von Programmkurator Torsten Zarges mit Eric Welbers, CEO von Bravado Media, und Al Munteanu, Gründer und CEO von Square One Entertainment. Welbers setzt auf internationale Coproduktionen, da die Einzelfinanzierung immer schwieriger geworden sei. Wie flexibel man in dem Business sein muss, erlebte er mit seinem neuen Projekt, den Kinofilm „Perfect Match“ über das Tennispaar Steffi Graf und Andre Agassi mit Prime Video als Partner. Als kurzfristig Geld fehlte, gründete Welbers die Gap-Finanzierungs-Firma Bravado Equity.

Die Chance: Mit ihrem Modell zur Finanzierung und optimalen Verwertung von Rechten, auch unabhängig von einem Vertrieb, stellte sich Bravado Equity als Partner der Produzent:innen vor und ermuntert, Risiken einzugehen.

„In Europa müssen Produzenten lokal denken.“

Eric Welbers

Al Munteanus deutsche SquareOne hat sich mit der französischen Playtime und der skandinavischen Scanbox unter das Dach des neuen europäischen Produktions- und Distributionshauses Vuelta Group begeben - ein Zusammenschluss europäischer Independentfirmen, die eine gemeinsame Vision teilen, aber in der Gruppe ihre lokale Identität behalten.

Das Ziel: Angestrebt sind Film- und Serienfinanzierung auf europäischer Basis, mit Kooperationen dort, wo es sinnvoll ist. So können europäische Koproduktionen in englischer Sprache entstehen, die auch in Amerika Chancen haben.

„Die kreativen Kräfte in Europa können die Challenge locker aufnehmen.“

Al Munteanu
Take

Inspirierende Projekte und Wege

4 - Case Study: Woodwalkers und Supersex

Aus der Praxis berichteten zwei exklusive Case Studys. Von den spannenden Dreharbeiten zum IDM-geförderten Projekt Woodwalkers erzählten die Produzent:innen Carolin Dassel und Corinna Mehner (blue eyes Fiction), Sandrine Mattes (Studiocanal) und Peter Trenkwalder von der Südtiroler Produktionsfirma Filmvergnuegen. Der zweite Teil Kinofilm-Trilogie wird im Sommer gedreht.

Die Herausforderung: Ein Dreh mit Tieren samt Training und Sicherung des Drehorts mit kilometerlangen Zäunen. Die Produktion arbeitet mit aufwendigen VFX-Verfahren.

 

Voller Herausforderungen waren auch die Dreharbeiten zur viel diskutierten italienischen Netflix-Serie Supersex über das Leben des Pornodarstellers Rocco Siffredi mit Alessandro Borghi in der Hauptrolle, über die Francesca De Lisi (The Apartment Pictures) bei INCONTRI berichtete. 

Die Geschichte: Der Stoff, die Lebensgeschichte von Rocco Siffredi, an der er selbst die Rechte besitzt, war ursprünglich als Dokumentation geplant. Die Umsetzung in eine TV-Serie übernahm die feministische Aktivistin und Drehbuchautorin Francesca Manieri (Ein Wunder).

 

5 - Marco Chimenz Group Co-General Manager, Federation Studios

Seit Januar 2024 ist er Manager der europaweit aufgestellten Federation Studios in Paris, bei INCONTRI sprach Marco Chimenz über seinen Abschied von Cattleya („Gomorra“, „Django“) nach über zwanzig Jahren. Er setzt auf die Zusammenarbeit mit den besten Kreativen und will mit internationalen Coproduktionen „die Welt erobern.“ Mit 35 Firmen in sieben Ländern ist der inhabergeführte europäische Independent auf Expansionskurs.

Das Rezept: Chimenz beschwört den Unternehmer-Geist und setzt auf Flexibilität und die Kreativität des Produzenten als treibende Kraft.

 

 

„Der Trick ist, gut zu arbeiten, Stoffe zu entwickeln, die sich im Markt behaupten und die andere kaufen wollen.“

Marco Chimenz

6 - Gabriele Mainetti, Regisseur von Lo chiamavano Jeeg Robot und Freaks Out

Der italienische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Gabriele Mainetti erzählte von seinen Erfahrungen in der italienischen Filmbranche und zeichnete in einem Panel mit dem Titel „From Tiger Boy to Freaks Out“ die Stationen seiner Karriere nach: von seinen ersten Schritten als Schauspieler bis zu den Kurzfilmen, von seinem Spielfilmdebüt mit Lo chiamavano Jeeg Robot bis zu den Produktionsschwierigkeiten, auf die er beim Dreh von Freaks Out stieß, und schließlich zur Arbeit mit seiner Produktionsfirma Goon Films, die neuen Talenten Raum gibt.

Das Umdenken: Gabriele Mainetti begann mit siebzehn Jahren, Drehbücher zu schreiben. Er gründete Goon Films, weil er keinen Produzenten finden konnte, der bereit war, in sein Debüt zu investieren. Seine Kurzfilme sieht er als seine Visitenkarte für die Branche.

„Dein Publikum ist die Welt.“

Gabriele Mainetti
Take
Text Marga Boehle
Foto Asia De Lorenzi
Veröffentlicht am 28.03.2024