Wie entstand die Idee zur Doku über die Stilfserjochstraße?
Der eigentliche Initiator ist mein Vater Josef Hofer. Er lebt in Stilfs, ist 78 Jahre alt und hat seit jeher diese große Begeisterung für die Stilfserjochstraße. Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Passstraße hat er mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, einen Film darüber zu drehen. Mir gefiel die Idee, mit meinem Vater als eine Art Zeitzeuge zusammenzuarbeiten. Mit seiner Begeisterung hat er mich definitiv angesteckt.
Und welchen Bezug haben Sie selbst zur Stilfserjochstraße?
Wer wie ich in Prad am Stilfserjoch aufgewachsen ist, war schon mal auf dem Joch. Die Passstraße hat mich als Kind fasziniert, aber es ist nicht so, dass ich ständig rauf bin. Es ist mühsam, die 48 Kehren hochzufahren. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich oben ankomme. Was mich aber zu diesem Film hingeführt hat, war die Erkenntnis, dass ich jetzt mit 40 länger in Österreich lebe als in meiner Heimat. Das hat etwas in mir ausgelöst.
Sind Sie mit den Jahren heimatverbundener geworden?
Ich bin wirklich kein patriotischer Typ. Heimat ist etwas Schönes, aber der Begriff wird oft von den falschen Leuten missbraucht. Nationalstolz ist etwas Seltsames. Warum sollte ich auf etwas stolz sein, für das ich nichts kann? Das ist ein Ansatz, den ich nicht mag. Trotzdem hat dieser Heimatgedanke etwas in mir entfacht. Deshalb wollte ich die Doku auch nicht mit einem Sprecher machen, der die Bilder kommentiert, sondern etwas persönlicher gestalten.
Sie führen selbst durch die Doku?
Ja, ich bin mein erster Zuschauer, wenn man so will. In der Doku sehe ich das Stilfserjoch nach Jahren zum ersten Mal wieder. So werden die Zuschauer an das Thema herangeführt. Ich möchte einen Strudel erzeugen, der die Geschichte der Straße, die Menschen und das Leben in Stilfs und Prad am Stilfserjoch vereint.
Über Expert/-innen-Gespräche zeigen Sie die Passstraße aus verschiedenen Perspektiven. Wer kommt zu Wort?
Die Protagonist/-innen stammen aus verschiedenen Bereichen – aus Tourismus, Kunst und sogar Kirche. Mit Arthur Gfrei, dem ehemaligen Eigentümer eines Hotels am Stilfserjoch, kommt ein großer Kenner der Passstraße vor. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, alles über den Bau der Straße zu erfahren. Eine weitere Protagonistin ist Melanie Platzer. Sie ist die Chefin vom Ortler Sammlerverein - Erster Weltkrieg. Sie sammelt und archiviert Fundstücke, die an der ehemaligen Kriegsfront durch die Gletscherschmelze zum Vorschein kommen. Die Stilfserjochstraße war ursprünglich eine Militärstraße. Heute hat sie Gott sei Dank keine militärische Funktion mehr. Sie ist nur noch eine touristische Attraktion.
In dieser Rolle stößt die Straße nicht immer auf Verständnis.
Viele Menschen sind vom Verkehr genervt. Noch dazu führt die Straße mitten durch den Nationalpark Stilfserjoch. Sie ist zur Belastung geworden. Die Frage ist: Wie passt eine Straße, die so stark befahren ist, in einen Nationalpark? Auch darauf geht die Doku ein.
Die Interviews haben Sie selbst geführt. Gab es einen besonders bewegenden Moment?
Tatsächlich habe ich auch meinen Vater interviewt, schließlich hat er den Anstoß zu dieser Doku gegeben. Ich habe ihn in der 200 Jahre alten Stube seines Geburtshauses in Stilfs gefilmt. Ich wollte mehr über seine Kindheit erfahren und wie es sich anfühlt, in einem Dorf zu leben, das aufgrund der Abwanderung ums Überleben kämpft. Das war sehr bewegend.
Die Doku lebt auch von spektakulären Naturaufnahmen, der Außendreh ist nicht immer einfach.
In den Bergen zu shooten ist immer problematisch, weil das Wetter sehr unbeständig ist. Aufgrund der Wetterkapriolen muss man „on the fly“ umplanen können. Das ist die größte Herausforderung. Natürlich wird es Drohnenaufnahmen geben, aber ich bin der Meinung die allein machen einen Film noch lange nicht gut. Wir shooten größtenteils mit Standkamera.
Worauf ist in einem so sensiblen Ökosystem wie dem Nationalpark Stilfserjoch zu achten?
Es braucht ein Bewusstsein für die Natur. Für mich und meine Truppe ist das Hausverstand. Da wir teilweise nur zu dritt oder zu viert unterwegs sind, ist unser Fußabdruck gering. Jeder hat seinen Rucksack und seine Trinkflasche dabei. Das ist bei großen Shootings mit 30 oder 40 Personen am Set natürlich anders.
Wie fühlt es sich an, erstmals in Südtirol zu drehen, noch dazu mit einer Südtiroler Crew?
Wenn ich shoote, brauche ich Menschen an meiner Seite, bei denen ich mich wohlfühle, und das ist hier der Fall. Die Atmosphäre bei den Dreharbeiten stimmt und wir haben echt Spaß.
Können Sie sich vorstellen, weitere Projekte in Südtirol zu realisieren?
Ja, es fühlt sich gut an, dort zu filmen, wo ich aufgewachsen bin. Ich kann mir auch vorstellen, mit anderen Filmemachern aus Südtirol zusammenzuarbeiten. Die Filmbranche in Südtirol wird stärker und stärker – auch dank der Filmförderung – und erlaubt uns Filmschaffenden kreativ zu sein. Mal sehen, was die Zukunft bringt.