Ohne Ort, ohne Zeit, ohne Raum

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Ein surreales Filmgedicht: Fünf Frauen irgendwo zwischen Diesseits und Jenseits. Gefangen im Nirgendwo begeben sich die Schauspielerinnen des Kollektivs binnen-I im Kurzfilm BINICHDENN auf die Suche nach der Wahrheit.

Es existieren weder Zeit noch Raum, dafür elementare Fragen, wie jene nach dem Sinn des Menschseins. Diese Sinnsuche bildet den Inhalt des fünfzehnminütigen Kurzfilms, der nach einer Idee des Südtiroler Autors, Theater- und Filmemacher Dietmar Gamper realisiert wurde. Gedreht wird dabei auf neuen Schnittebenen und aus ungewöhnlichen Blickwinkeln: kaum Requisiten, dafür Kreativität en masse; wenig Dialog, viel Schauspielkunst. Das alles zu vereinen ist Aufgabe der jungen Regisseurin Stefanie Aichner – zum Glück liebt sie solche Herausforderungen. „Also genau das Richtige für mich“, sagt sie.

Gezielte Minimalistik

Am Set in Brixen sitzt eine junge Crew am Tisch und isst gebratene Heuschrecken – ein nachhaltiges Superfood. Nachhaltig sind bei diesem Dreh auch die E-Autos, mit denen die Produktion unterwegs ist, der bewusste Verzicht auf Plastikflaschen am Set sowie upgecycelte Requisiten. Diese Rahmenbedingungen entsprechen den Green-Shooting-Richtlinien von IDM. Umgesetzt werden sie aus Überzeugung, die Produktion achtet auf jedes Detail.

Eine leere Industriehalle dient als Filmset. Vor einem weißen Vorhang ein weißer Stuhl, hell beleuchtet. Das Set ist mehr als minimalistisch gehalten. Ein Stuhl, ein Spiegel, eine Luftpolsterhöhle und ein Stapel Matratzen – wie sonst soll man das Nichts darstellen? Das Setting hat die Crew rund eine Woche vor Drehbeginn aufgebaut, der weiße Vorhang bildet den Rahmen. 180 Grad weiße Fläche braucht Kameramann Daniel Eggert – und genügend Licht. Auf dieser Bühne begeben sich die Schauspielerinnen auf die Suche nach sich selbst. 

Regisseurin Stefanie Aichner legt viel Wert auf Ästhetik: Sie hat ein Auge für moderne, stimmungsvolle Schnitte, ist bekannt für ihre kreative und emotionsgeladene Art. Deshalb hat das Kollektiv binnen-I die 26-Jährige aus Bruneck als Regisseurin ausgewählt.

Take

Es ist Aichners erster Kurzfilm, bisher drehte sie Musikvideos, Werbefilme und Branded content. Umso mehr freute sie der Auftrag der Schauspielerinnen. In der monatelangen Vorbereitung widmete sich die Regisseurin noch mehr als sonst dem kreativen Part ihrer Arbeit: „Ich wollte das Drehbuch möglichst klar ins Visuelle übersetzen“, sagt sie. Sie strich dabei etwas Dialog, um mehr über den Schnitt erzählen zu können; keine leichte Aufgabe angesichts des extrem zurückgenommenen Sets. „Es ist ein Kunstprojekt, mit dem Ebenen gebrochen und das Komische präsent gemacht werden soll“, resümiert Aichner.

Take

Film trifft Theater

Zeit für diese abstrakte Aufgabe hatte die Crew genau drei Drehtage lang; kurze, schnittlose Sequenzen machen den Zeitdruck erträglicher. Die fünf Darstellerinnen Alexa Brunner, Katharina Gschnell, Viktoria Obermarzoner, Marlies Untersteiner und Petra Rohregger stehen als Kollektiv seit 2017 auf Theaterbühnen, vor der Kamera hatten sie noch nie gemeinsam gearbeitet.

„Am Theater mag ich, dass mehr Zeit fürs Proben da ist, fürs wochenlange Vorbereiten. Am Filmset musst du liefern – schnell und on point! Dafür bleibt am Ende keine bloße Momentaufnahme, sondern ein Produkt, das man präsentieren kann und mit dem wir als Schauspielerinnen mehr Reichweite erzielen“, sagt Alexa Brunner.

Die Idee zum Film kursierte in den Köpfen der Schauspielerinnen seit Längerem, 2019 wurde das Drehbuch zu BINICHDENN zu Papier gebracht. 2021 ging es endlich an die konkrete Umsetzung: Viele Inputs kamen von den Schauspielerinnen selbst, Kamera, Blickwinkel und Schnitt sind Stefanie Aichners Metier. 

Neue Chancen

BINICHDENN ist die erste abgedrehte Produktion, die über die neue Kurzfilm-Förderschiene von IDM Südtirol unterstützt wird. Auch künftig wird die Südtiroler Filmförderung ein besonderes Augenmerk auf Kurzfilme legen.

„Junge Talente erhalten durch diese neue Art der Förderung die Möglichkeit, sich auszuprobieren und sich auf neues Terrain zu begeben“, sagt Markus Frings, der mit seiner Produktionsfirma Movie.mento als Produzent fungierte. Tatsächlich besteht die junge Crew von BINICHDENN zum Großteil aus Film-Newcomern, denen diese Förderung die Chance eröffnet hat, sich an ein neues Medium heranzutasten.

Am dritten und letzten Drehtag ist Regisseurin Stefanie Aichner nicht müde, sondern auf den Geschmack gekommen. Sie will noch mehr Kurzfilme drehen. „Und wir möchten bei noch mehr Filmprojekten als Darstellerinnen mitwirken“, so Alexa Brunner. „Auch wenn das bisher nicht unsere Priorität war – jetzt haben wir Lust auf mehr!“

Take

Wie viel mehr es von den kreativen Köpfen aus Südtirol geben wird, soll sich nach der Premiere von BINICHDENN zeigen. Der Film soll, so das Ziel, auf Festivals laufen. Die Erwartungen? „Wir spielen, probieren und lernen. Vor allem wollen wir bei diesem ersten gemeinsamen Versuch ein Produkt schaffen, das uns alle zufriedenstellt“, sagt Stefanie Aichner. „Alles, was dann dazukommt, darf natürlich auch passieren!“

Text Evi Hilpold
Foto Kiwitree Films
Veröffentlicht am 28.01.2022

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