TSFM Summer Event #1 – Kurzfilm ist Punk

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Vom 29. Juni bis 2. Juli fand in Schlanders, in den Räumen von BASIS Vinschgau Venosta, die erste Kurzfilmkonferenz Südtirols statt. Organisiert wurde das Branchenevent von IDM Film Commission Südtirol in Zusammenarbeit mit dem Talents and Short Film Market (TSFM) Turin, unterstützt von den drei Südtiroler Kulturabteilungen, der ZeLIG Film School und BZ48H-short film contest. TAKE hat sich für einen Tag unter die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemischt und mit Filmschaffenden der lokalen und internationalen Kurzfilmbranche gesprochen.

Es herrscht wohliger Betrieb vor der BASIS in Schlanders. Teilnehmer/-innen unterhalten sich angeregt über die erste von zwei Pitching-Sessions, die soeben über die Bühne des ersten TSFM Summer Event gegangen ist. Unter dem Titel „What’s The Story“ wurden dem anwesenden Fachpublikum sechs Kurzfilmprojekte präsentiert, die im Vorfeld während eines fünftägigen Workshops an verschiedenen Orten in Europa, darunter auch in Bozen, entwickelt wurden.

Einer der Teilnehmer am Pitch ist der junge Scripter Giuseppe Crudele mit seinem Projekt Henriette. 2019 hat er seinen Abschluss an der ZeLIG School for Documentary gemacht. Danach hat der gebürtige Salernitaner Südtirol nicht mehr verlassen. Auch wegen seiner Aufnahme ins Mentoring Programm von IDM Film Commission: „Südtirol ist für mich ein Ort, der es mir erlaubt, an meine eigenen Projekte zu glauben. Hier werden nicht nur große Produktionen unterstützt, das Augenmerk liegt ganz klar auch auf der Suche und die Förderung von jungen Talenten.“

„Vernetzt euch! Sprecht mit möglichst vielen Leuten, bringt euch ins Gespräch und seid neugierig. Networking ist harte Arbeit, aber es zahlt sich aus.“

Daniel Hadenius-Ebner, Director Vienna Shorts

Auch die in Brixen geborene Autorin und Regisseurin Irene Reiserer hat ihre Kurzfilmidee mit dem Titel Wölfe am Wasser beim ersten Pitch des TSFM Summer Event präsentiert. Für sie gibt es zwei Arten das Genre zu betrachten. „Es kann ein Einstieg in die Welt des Langfilms sein oder eine Form für sich. Ich interessiere mich für beide Sichtweisen.“ Reiserer hat ihre Film-Erfahrung nicht in Südtirol, sondern in Wien, Paris und München gesammelt. Erst vor kurzem hat sie sich dazu entschlossen, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. „Ich war mir lange nicht sicher, ob man in Südtirol in der Filmbranche überleben kann. Das Entstehen neuer Produktionsfirmen und die Unterstützung, die IDM Film Commission auch dem fiktionalen Film entgegenbringt, hat mich eines Besseren belehrt.“ Aber worin sieht Reiserer, die auch Mitglied im Filmverband Südtirol (FAS) ist, die Vorteile der hiesigen Branche? „Noch sind die Strukturen und Institutionen hierzulande nicht so starr und fest wie im Ausland. Das eröffnet ganz neue Chancen, auch was das Thema Chancengleichheit in der Filmbranche betrifft.“

„Ich bin überzeugt, dass Kurzfilme noch immer unterschätzt werden. Für viele junge Kreative ist der Kurzfilm oft bloßes Mittel zum Zweck. Dabei kann man mit einem Kurzfilm seine eigene Handschrift etablieren.“

Marija Milovanovic, Lemonade Films & Berlinale Generations

„Ein unkomplizierter Austausch zwischen jungen Filmtalenten und alten Branchenhasen in familiärer Atmosphäre und abseits von Leistungsdruck und Marktstress.“ Genau so stellt sich Enrico Vannucci, Mitbegründer und künstlerischer Leiter des TSFM sowie des TSFM Summer Events den neuen Branchentreff vor. „Natürlich sind wir hier nicht im Urlaub“, betont Vannucci, „aber ich möchte allen Anwesenden die Möglichkeit geben, sich in einer entspannten, stressfreien Umgebung beruflich fortzubilden und sich bei unkonventionellen Gelegenheiten wie Wanderungen oder Stadtbesichtigungen besser zu vernetzen.“ Die Wahl des Standorts Südtirol ist kein Zufall, sondern eine sehr bewusste Entscheidung. „Das Dörfliche und die Natur machen Schlanders zum kompletten Gegenteil von Turin, wo die Kurzfilmbranche im Herbst zusammenkommt. Ein absoluter Bonuspunkt dieser Region sind für mich die Mehrsprachigkeit und Multikulturalität. Abgesehen davon leistet IDM Film Commission Südtirol seit Jahren sehr gute Arbeit im Bereich des Kurzfilms – unter anderem mit der Einführung der Kurzfilmförderschiene Ende 2021. Nun ist es an der Zeit, der Branche Südtirol und den lokalen Sektor genauer vorzustellen und mögliche Kollaborationen in die Wege zu leiten.“ Aus diesem Grund freut sich auch Birgit Oberkofler, Head of IDM Film Fund & Commission, über das internationale Zusammentreffen in Schlanders: „Der Kurzfilm ist für die Entwicklung des (lokalen) audiovisuellen Sektors grundlegend – Talente aller Gewerke können sich künstlerisch entfalten, innovativ sein und damit einen Platz in der Branche sichern. Die Unterstützung, Weiterbildung und Vernetzung junger Filmschaffender steht für uns auch in den kommenden Jahren im Mittelpunkt.“

„IDM Film Commission Südtirol leistet seit Jahren sehr gute Arbeit im Bereich des Kurzfilms. Nun ist es an der Zeit, der Branche Südtirol und den lokalen Sektor genauer vorzustellen und mögliche Kollaborationen in die Wege zu leiten.“

Enrico Vanucci, Director TSFM

Die österreichische Kulturmanagerin, Kuratorin und Co-Gründerin der Agentur für Festivalstrategien und Verleih „Lemonade Films“ Marija Milovanovic, ist eine der internationalen Branchenplayerinnen, die dem Aufruf von Enrico Vannucci und IDM Film Commission Südtirol nach Schlanders gefolgt ist. In ihrem Panel spricht sie unter anderem über die Distribution von Kurzfilmen und Einreichungen bei Festivals. Kann man von einem Revival der Kurzfilme sprechen? „Es liegt vor allem an der Digitalisierung und der veränderten Sichtungsweise der Menschen, dass Kurzfilme heute einem breiteren Publikum bekannt sind. Ich bin aber überzeugt, dass Kurzfilme noch immer unterschätzt werden. Für viele junge Kreative ist der Kurzfilm oft bloßes Mittel zum Zweck. Dabei kann man mit einem Kurzfilm seine eigene Handschrift etablieren.“

Am späten Nachmittag wird es ruhiger in der BASIS. Die meisten Konferenzteilnehmer/-innen sind auf den angebotenen Outdoor Networking Activities. Daniel Hadenius-Ebner, Direktor des internationalen Kurzfilmfestivals Vienna Shorts stellt am Abend ein Programm mit ausgewählten Kurzfilmen aus 20 Jahren VIS vor. Das Screening ist offen für alle, auch um Interessierten außerhalb der Branche das Genre Kurzfilm näher zu bringen. Was fesselt Hadenius-Ebner persönlich am Kurzfilm? „Für mich ist der Kurzfilm ein Format das mich immer wieder aufs Neue überrascht und auch herausfordert, das klassische Mechanismen aufbricht und Dinge neu ausprobiert. Es ist auch ein sehr politisches Medium, das immer nah am Puls der Zeit ist. Leider ist der Kurzfilm zumindest auf den Filmhochschulen in Österreich immer noch unterpräsentiert.“ Wie die meisten der Teilnehmer/-innen ist auch der ehemalige Filmkritiker in Schlanders auf der Suche nach neuen Talenten, den neuesten Trends und einem guten Austausch mit anderen Mitgliedern der Branche. Was würde er den jungen Nachwuchsfilmemacher/-innen raten? „Vernetzt euch! Sprecht mit möglichst vielen Leuten, bringt euch ins Gespräch und seid neugierig. Networking ist harte Arbeit, aber es zahlt sich aus.“

Text Verena Spechtenhauser
Foto Asia De Lorenzi
Veröffentlicht am 10.07.2023