3 Fragen an ... Andrea Deaglio, Regisseur

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Traumata und Ängste überwinden – durch bildliche Darstellung im Sandkasten: Bei der Sandspieltherapie positioniert der/die Betroffene Miniaturfiguren von Personen, Tieren und Objekten im Sand. So drückt das Unbewusste innere Bilder aus, die nicht in Worte gefasst werden können. Diese Therapieform ist Thema des Dokumentarfilms Healing Images (provisorischer Titel; 2024) von Andrea Deaglio. Der Regisseur aus Turin hat mit TAKE über die Zusammenarbeit mit der Bozner Psychotherapeutin Eva Pattis Zoja und ihren innovativen Ansatz gesprochen.

 

Take

Wie kam dieses Projekt zustande? 

Andrea Deaglio

Alles begann damit, dass ich Eva Pattis kennenlernte. Sie verwendete die Sandspieltherapie in ihrer Arbeit mit Jesiden. Diese ethnische Gruppe wurde 2015 im nördlichen Irak Opfer eines Völkermords durch den Islamischen Staat. Eine Gruppe jesidischer Frauen, die von den islamischen Milizen versklavt worden war, wurde später nach Deutschland gebracht. Um ihnen zu helfen, die erlebten Traumata aufzuarbeiten, wurde unter anderem Evas Therapieansatz verwendet. Gerade weil sie auf der nonverbalen Sprache beruht, ist diese Methode in komplexen Situationen wie diesen gut geeignet.

Take

Gibt es einen Moment, der Sie während der Arbeit an der Dokumentation besonders berührt hat?

Andrea Deaglio

Ich habe der Rekonstruktion zahlreicher Ereignisse beigewohnt und mit den sogenannten stillen Beobachter/-innen gesprochen, die bei dem Spielen mit dem Sand anwesend sind, ohne zu interferieren. Mir fällt eine Sitzung mit einem Mädchen ein, das Missbrauch erlitten hatte. Es setzte Schlangen und Spinnen auf die Miniaturfiguren, verteilte kleine Likörflaschen rundherum und stellte eine Mädchenfigur abgewandt hin, mit dem Rücken zur Szene, sodass es nicht zusah. Mit diesen spontan kreierten Bildern erzählte das Mädchen, was ihr widerfahren war. Außerdem hatte ich die Gelegenheit, mit einigen Menschen aus der Ukraine zu sprechen. Eva wandte das Sandspiel nämlich schon 2016, zu Beginn des Konflikts im Donbass, mit den ersten Flüchtlingen an.

Take

Südtirol als Drehort spielt im Film sowohl geografisch als auch inhaltlich eine Rolle.

Andrea Deaglio

Der zentrale Teil des Dokumentarfilms rekonstruiert Evas persönliches transgenerationales Trauma, das während der Produktion zur Sprache kam. Es beginnt mit Geschichte ihrer Mutter, die 1940 mit einem jungen Wehrmachtssoldaten verlobt war, mit dem sie trotz seiner Stationierung in der Ukraine einen intensiven Briefwechsel führte. Sie versprachen sich zu heiraten, wurden aber durch den Krieg für immer voneinander getrennt. Dies ist der Ursprung des Schmerzes, mit dem Eva sich auseinandersetzen muss, um anderen helfen zu können. Gedreht wurde in Bozen, in Evas Elternhaus und am Schlern. Eine ukrainische Psychotherapeutin, die Sandspieltherapie nutzt, kam zum Dreh nach Bozen, um über Kriegstraumata zu sprechen. In Südtirol wurde übrigens ein Sandwork-Projekt mit ukrainischen Flüchtlingskindern gestartet. Wir haben außerdem mit den Therapeut/-innen und Freiwilligen gesprochen, die diese Therapieform seit einigen Jahren in Bozen anbieten. Hier haben wir die Vorbereitung der Sitzungen mitgefilmt und Eva, wie sie eine solche Sitzung begleitet. Diese Szenen unterstreichen die schwierige Aufgabe der stillen Beobachter/-innen, die die Ängste der Personen in der Therapie auf sich nehmen. 

Text Sarah Franzosini
Veröffentlicht am 29.09.2023

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