Im Schnalser Talschluss auf 2.200 Metern Höhe liegt das Dörfchen Kurzras am Fuße des imposanten Hochjochferner Gletschers. Der kleine Ort ist Trubel gewohnt. Fast das gesamte Jahr über ist er Ausgangspunkt für Skifahrer und Wanderer. Auch an diesem strahlend blauen Spätsommertag füllen zahlreiche PKWs die Parkplätze am Ortseingang. Auf den ersten Blick scheint alles so wie immer: Schafe grasen auf den umliegenden Hängen, ein Adler zieht tiefe Kreise, Wanderer schultern ihre Rucksäcke und machen sich auf den Weg in die Berge. Wer sich jedoch in Richtung des Dorfes wendet wird aufgehalten. „Stopp! Kein Durchgang! Hier wird gedreht.“
Zwei Wochen lang verwandelt sich das Blue Hotel Zirm-Cristal in den Schauplatz des ersten Teils der Kino-Trilogie Woodwalkers. Das Familien-Fantasy-Abenteuer beruht auf der gleichnamigen 19-bändigen Buchreihe der deutschen Erfolgsschriftstellerin Katja Brandis. Für das Drehbuch zeichnet David Sandreuter verantwortlich. Die Geschichte rund um 13-jährigen Carag Goldeneye, der die Fähigkeit besitzt sich in einen Puma zu verwandeln und als Gestaltenwandler jede Menge Abenteuer erlebt, wurde allein in Deutschland fast 3 Millionen Mal verkauft und in 21 Sprachen übersetzt. Länderübergreifend produziert wird der Film, dessen erster Teil im Oktober 2024 in die Kinos kommt, vom Münchner Produktionshaus blue eyes Fiction in Koproduktion mit STUDIOCANAL, der Produktionsgesellschaft Dor Film aus Wien und der Südtiroler Produktionsfirma Filmvergnügen.
Foto: Marco Nagel | Blue Eyes | STUDIOCANAL
Raue Berge
Aber wie wird Südtirol zum Drehort einer in den nordamerikanischen Rocky Mountains angesiedelten Fantasy-Geschichte? „Die fragile Schönheit der Natur, vor allem aber auch das oft sehr rücksichtslose Vorgehen von uns Menschen gegenüber Tieren und ihren Lebensräumen, spielt eine zentrale Rolle in den Büchern von Katja Brandis. Dieses relevante Themawollen wir im Film durch atemberaubende Naturszenen unterstreichen“, erklärt Carolin Dassel, Produzentin und Head of Production bei blue eyes Fiction. Da aus Budgetgründen die Dreharbeiten nicht am Originalschauplatz stattfinden konnten, machte sich das Produktionsteam auf die Suche nach vergleichbaren Naturkulissen in Europa und wurde in Österreich, Bayern und Südtirol fündig. „Uns haben nicht nur die fantastische Südtiroler Landschaft, sondern auch die guten Drehbedingungen vor Ort überzeugt“, so Dassel. Begeistert ist sie auch von der Arbeit der Südtiroler Location Scouts. „Ich bin wirklich happy, dass wir das Hotel als Hauptdrehort für den Film gefunden haben. Mit seiner spannenden Architektur ist es nicht nur das perfekte Setting für das geheime Internat der Gestaltenwandler, die Clearwater High, sondern bietet außerdem den Vorteil, dass die Crew hier drehen und übernachten kann.“
Zu verdanken ist der Schauplatz-Fund dem Team rund um den Bozner Location Scout Giuseppe Zampella. Fast drei Monate lang dauerte die Suche nach dem passenden Drehort, bei der rund 10 Plätze in ganz Südtirol besichtigt wurden. „Die größte Herausforderung bestand darin, das richtige Gebäude in einer Umgebung zu finden, die die Rauheit der Rocky Mountains widerspiegelt“, erklärt Zampella. Bis zum Schluss schafften es drei Locations in die engere Auswahl. Neben dem Schnalstal sind im Film auch das Ultental, Völs am Schlern sowie die Außenansicht der Antonio Dalle Nogare Stiftung zu sehen. Letztere dient als Kulisse für das Zuhause des Antagonisten Andrew Milling, gespielt von Oliver Masucci.
Foto: marc reimann | Blue Eyes | STUDIOCANAL
Mensch und Tier
Überhaupt liest sich der Erwachsenen-Cast der Woodwalkers-Trilogie wie das Who is Who der deutschen Filmbranche. Neben Masucci konnten die Produzentinnen und der US-amerikanische Regisseur Damian John Harper auch Martina Gedeck, Hannah Herzsprung und Lucas Gregorowicz für das Projekt gewinnen. Nicht einfach war hingegen die Auswahl der Nachwuchsschauspieler: „Um die 20.000 Kinder und Jugendliche sind unserem Casting-Aufruf gefolgt und haben sich für eine der Hauptrollen beworben“, erzählt Kreativkoordinatorin Melanie Maria Mosler. Für die Rolle des Carag Goldeneye wurde schließlich der 14-jährige Emile Chérif ausgewählt. Er ist einer von insgesamt 16 Kindern aus Deutschland, Österreich, Kanada und den USA am Set. Ihnen zur Seite steht die Setpädagogin Emilia Scherzer. Sie sorgt dafür, dass es den Kindern während der Dreharbeiten gut geht und ihre Rechte und Interessen gewahrt werden. „Die Kinder dürfen sich acht Stunden täglich am Set aufhalten. In dieser Zeit bin ich ihre Ansprechperson und kümmere mich um alle kleinen und großen Sorgen, die während eines Drehtages anfallen“, erklärt Scherzer.
Foto: marc reimann | Blue Eyes | STUDIOCANAL
Lucas Gregorowicz macht die Arbeit mit den Nachwuchsschauspielern sichtlich Spaß. Als die Anfrage kam in einem Familienfilm mitzuwirken, zögerte er keinen Moment die Rolle als Carags Pflegevater anzunehmen: „Alles an diesem Film versetzt mich zurück in meine eigene Kindheit, als ich selbst voller Staunen im Kino saß und mich in spannenden Abenteuer- und Fantasyfilmen verlieren durfte. Ich mag den Gedanken, dass wir mit unserer Arbeit Kinderaugen zum Leuchten bringen.“ Bemerkenswert findet Gregorowicz die Tatsache, dass beim Dreh mit echten Tieren wie Pumas, Bisons, Seeadlern oder Rothörnchen gearbeitet wird: „Dass sich die Produzentinnen bewusst für die Arbeit mit Tieren entschieden haben, steigert die Qualität des Films enorm, auch weil die Szenen dadurch einfach authentischer wirken.“ Für den Tier-Dreh begab sich das Team unter anderem eine Woche lang in das Ultental. Professionell begleitet wurden die Filmtiere in dieser Zeit von der deutschen Filmtiertrainerin Katja Elsässer, die sich um den artgerechten Transport und den Umgang mit den Tieren in Deutschland, Österreich und Südtirol gekümmert hat.
Foto: Marco Nagel | Blue Eyes | STUDIOCANAL
Aufwendiger Feinschliff
Der Schritt in die Postproduktion war für Woodwalkers ein maßgeblicher. Insgesamt 5 Millionen Euro stehen dem Team für die VFX-Produktion zur Verfügung. Ein finanzieller Aufwand, der sich am Ende jedoch bezahlt macht, davon ist auch Produzentin Carolin Dassel überzeugt. Umgesetzt wurden die aufwendigen Animationen unter der Federführung von Pixomondo Frankfurt unter anderem vom Meraner Unternehmen Cine Chromatix gemeinsam mit fünf weiteren VFX-Häusern in Europa. Im Herbst verwandeln sich so auf der Leinwand die Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen der Clearwater High schließlich mühelos in die echten Tiere, die in den Wäldern live vor der Kamera standen.